Als der Schützenverein Landkompanie hieß
In Krommert setzen sich zwölf Geschichtsexperten mit der Ortshistorie auseinander /„Archivtag“ am 24. November
RHEDE-KROMMERT (hgk). Er möchte wissen, wie es in Krommert früher ausgesehen hat. Und will dies für die kommenden Generationen erhalten. Die Marienschule, das Schützenwesen, die alten Namen der Höfe – der „Arbeitskreis Chronik Krommert“, gegründet 1996, erforscht die Dorfgeschichte. Dabei macht er auch vor dem Staatsarchiv Münster nicht Halt.
RHEDE-KROMMERT (hgk). Georg Enck holt sie immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Das lässt sich alles nicht beweisen“, stellt er energisch fest – wenn seine Mitstreiter vom „Arbeitskreis Chronik Krommert“ in die Spekulation abgleiten. Zum Beispiel, als Bernhard Schlatt die Vermutung äußert, die Krommerter Pieta sei nach vatikanischem Vorbild entstanden. „Das sind alles nur Vermutungen“, fährt Enck dazwischen – und beendet die Diskussion.
Der 36-Jährige ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, die sich 1996 aus dem Förderverein Ortsmitte Krommert (F.O.K.) heraus gebildet hat. Der Arbeitskreis hat zwölf Mitglieder, die Altersspanne reicht von 32 bis 70 Jahren. „Mitmachen kann bei uns jeder!“, stellt Georg Enck heraus. Das klingt nach überörtlicher Mitgliederwerbung. Trotzdem kommen alle Hobby-Historiker des Arbeitskreises aus Krommert. Fast alle: Maria Schluse ist gebürtige Büngernerin. „Aber das ist ja grenznah“, springt Maria Agten für ihre Schwägerin in die Bresche.
Jubiläum als „Auslöser“
Grenzen spielen für die Krommerter Geschichtsexperten eine wichtige Rolle – vor allem die innerhalb ihres Dorfes. „Wir haben drei Nachbarschaften“, unterstreicht Senior Bernhard Schlatt, „Enckhook, Renzelhook und Ächterkrommert.“ Und jede dieser Nachbarschaften habe „ihren eigenen Schützenverein“. Von denen steht der „Bauernschützenverein Crommert“ (Ächterkrommert) derzeit im Mittelpunkt. „Der wird im nächsten Jahr 375 Jahre alt“, erklärt Georg Enck. Für den Arbeitskreis sei das „der Auslöser“ gewesen. „Wir wollen das gesamte Schützenwesen in Krommert erforschen“, ergänzt Johannes Schulze Böing, zugleich stellvertretender Vorsitzender der Bauernschützen.
Seit zwei Jahren frönt der Arbeitskreis deshalb seiner Lieblingsbeschäftigung: Er sammelt alte Dokumente und Fotos. Ausgangspunkte sind die Protokollbücher der drei Krommerter Schützenvereine. Doch ausgerechnet das der Bauernschützen reicht nur bis 1949 zurück. „Das ist natürlich nicht so aussagekräftig“, kommentiert Georg Enck. Also müssen weitere Quellen her: aus den Stadtarchiven in Rhede, Bocholt und Borken, aus dem Borkener Kreisarchiv und dem Hamalandmuseum Vreden.
Eine herausragende Rolle spielt hier das Staatsarchiv in Münster. Dort haben die Geschichtsforscher einen wichtigen Fund gemacht: Sie entdeckten einen Briefwechsel von 1673 zwischen Krommerter Bauern und Fürstbischof Christoph Bernhardt von Galen. „Der Fürstbischof forderte dazu auf, eine Landkompanie zu bilden“, erzählt Johannes Schulze Böing. „Das ist das Gleiche wie ein Schützenverein – und war damals eine Vereinigung wehrhafter Bauern.“
Denen fehlte aber das nötige Geld für Bewaffnung, Bekleidung, Verpflegung. Deshalb wandten sie sich über einen Bocholter Rechtsanwalt an den Fürstbischof: Ob es zu diesem Zweck nicht möglich sei, öffentliches „Markenland“ „zu versilbern“? Der Fürstbischof entschied sich für eine andere Lösung: „Neun Höfe in Krommert bekamen Markenland, ohne Pacht dafür zu zahlen“, berichtet Schulze Böing. „Dafür mussten sie die Kompanie bewaffnen, verköstigen und mit Kleidung versorgen.“
Ihre Abhandlung über das Krommerter Schützenwesen will der Arbeitskreis 2004 oder 2005 vorlegen. Dabei folgt sie dem Zeitplan ihres Erstlings – einer Chronik der alten Marienschule in Krommert, die nach dreijähriger Vorbereitung 1999 im Eigenverlag erschienen ist. „Inzwischen haben wir eine Auflage von 400 Exemplaren“, berichtet Georg Enck stolz. Er zwinkert mit den Augen: „Einige kann man übrigens noch kaufen...“
Zum Krommerter Schützenwesen will der Arbeitskreis auch in diesem Jahr einen „Archivtag“ veranstalten. Am Totensonntag, 24. November, können alle Bürger aus der näheren Umgebung Bilder und Dokumente vorbeibringen. „Die Leihgaben werden von uns gescannt“, erklärt Georg Enck. Sein Engagement begründet der ehemalige Geschichtsstudent mit „Neugierde“.
„Wir wollen den nachfolgenden Generationen zeigen, wie es hier früher ausgesehen hat“, meint Johannes Schulze Böing. Dies setze voraus, dass man Altdeutsch und Sütterlin in Maschinenschrift übertrage. „Wenn wir das jetzt nicht machen – wer soll es dann tun?“, fragt der 53-Jährige.
Erklärtes Ziel ist auch die Erforschung der alten Krommerter Hof-Namen. Schulze Böing: „Da können wir das nächste Buch drüber schreiben!“ Mit der jüngeren Geschichte hat sich der Arbeitskreis noch nicht auseinandergesetzt – wie beispielsweise mit der Zeit zwischen 1933 und 1945. „Da gab es hier nichts Herausragendes“, argumentiert Bernhard Schlatt. Hanni Schluse verweist auf die begrenzte Quellenlage: „Für die Zeit des Nationalsozialismus waren aus der Lehrerchronik Seiten herausgerissen. Wer weiß, was da wohl draufstand...“
Der „Arbeitskreis Chronik Krommert“ ist auch im Internet vertreten – unter „www.krommert.de“.
© Bocholter-Borkener Volksblatt Im BBV veröffentlicht am: 28.06.2002 im Ressort: Rhede